1983

Die Chronik 30 Jahre   aktHivplus

1983 - Medizin, "Wutrede", "Tödliche Seuche"

Luc Montagnier

Larry Kramer

Spiegel, Ausgabe Nr. 23 / 05.06.1983

"Tödliche Seuche Aids"

Françoise Barré-Sinoussi

Robert Gallo

  • Schlagzeilen

    Erster Spiegel-Titel:„Tödliche Seuche AIDS":

    6. Juni 1983: Das Magazin „Spiegel“ 'berichtet' unter dem Titel „Tödliche Seuche AIDS – Die rätselhafte Krankheit“ über AIDS. Erstmals wird damit die breite Öffentlichkeit über AIDS 'informiert'.[8]


    Der Spiegel schreibt: „Droht eine Pest? Wird Alds wie ein apokalyptischer Reiter auf schwarzem Ross über die Menschheit kommen? Ist eine moderne Seuche in Sicht, die sich zu Tod, Hunger und Krieg gesellen wird, wie einst im Mittelalter? Oder werden nur die homosexuellen Männer daran glauben müssen? Vielleicht weil »der Herr für die Homosexuellen immer eine Peitsche bereit hat«?” Es waren „Schauergeschichten von der Promiskuität von Schwulen“. Die „Spiegel”-Berichterstattung sei damals

    außerordentlich apokalyptisch gewesen. Beschrieben worden sei eine Krankheit, die mit Sicherheit zum Tod führe und gegen die

    nichts helfe, „Und das in Kombination mit Geschichten, auch wirklich mit einer merkwürdigen Lust erzählten von Schwulen, die diese Seuche verbreiten. Und in der Kombination war das natürlich verheerend, weil es wirklich die Aussage war, damit, dass sie sich die ganze Zeit in Bars und Saunen rumtreiben und wild mit vielen verschiedenen Männern Geschlechtsverkehr haben, dadurch sind die Schwulen schuld daran, dass im Grunde die halbe Menschheit irgendwann ausgerottet wird.”[121][122]


    Der Spiegel distanziert sich 2022 von seinen diffamierenden Publikationen.[9]


    Auch Heterosexuelle sind betroffen.

    Heterosexueller Geschlechtsverkehr wird als Auslöser für die Erkrankung bei Frauen identifiziert.[2]


    Stigma und Diskriminierung.

    Fälschlicherweise hielten sich Gerüchte über mögliche Ansteckungswege. In der Bevölkerung ging Panik um, auch Mücken, Toilettensitze, Küssen, Hände schütteln könnten das Virus übertragen. Die große Angst in der Bevölkerung führt zu Diskriminierung und Stigmatisierung Betroffener. [2]


    14.März: „Wutrede“ von Larry Kramer (amerikanisch-jüdischer Aktivist und Dramatiker):

    Kramer kritisiert nicht nur die Untätigkeit von Politik, Gesundheitsbehörden, Forschung – er greift vor allem die Schwulen und ihre Medien  für ihr Schweigen an:

    „Ich habe die Schnauze voll von Schwulen, die keine Wohltätigkeitsveranstaltungen für Schwule unterstützen … Ich habe die Schnauze voll von Klemmschwestern … Ich habe die Schnauze voll von all jenen in dieser Community, die mir sagen, ich solle aufhören,  Panik auszulösen.

    Ich will nicht sterben. Ich kann nur annehmen, dass auch ihr nicht sterben wollt. Können wir gemeinsam kämpfen?

    Wie viele Schwule müssen noch sterben, bevor ihr endlich den Arsch hoch bekommt?" fragt Kramer. Die Kritik an Untätigkeit, Desinteresse, Schweigen verdichtet sich wenig später in dem Slogan „Schweigen = Tod“ (Silence = Death). Er wurde zu einer der Kern-Aussagen von ACT UP, der Aids-Aktions-Gruppe, die Larry Kramer 1987 mitbegründete. 

    „Wie viele Schwule müssten noch sterben, bevor ihr endlich den Arsch hoch bekommt?“ Die Kritik an Untätigkeit, Desinteresse, Schweigen verdichtet sich wenig später in dem Slogan „Schweigen = Tod“ (Silence = Death).[11]


    Der Sänger Klaus Nomi stirbt am 6. August 1983 an den Folgen von AIDS.[8]

    Der Philosoph Michel Foucault stirbt an den Folgen von AIDS.[8]

  • Politik

    Der US-Teenager Ryan White wurde 1984 durch eine Bluttransfusion infiziert und von der Schule verwiesen. Erst per Gerichtsbeschluss konnte er 1986 zurückkehren. Er musste jedoch eine separate Toilette und in der Cafeteria Wegwerf-Geschirr benutzen und durfte nicht am Sportunterricht teilnehmen. Elton John und Michael Jackson unterstützten White. Im April 1990 starb White. Vier Monate nach Whites Tod verabschiedete der Kongress den Ryan White Care Act, ein Gesetz zur Versorgung mittelloser oder unversicherter HIV-Infizierter.[5]

  • Medizin

    35 Länder weltweit bestätigen die neue Krankheit die bis zu diesem Zeitpunkt nur die USA zu betreffen schien.[136]


    Robert Gallo erhält Proben der Virusisolate von Luc Montagnier. Eine weitere Lieferung findet im September statt.

    Gallos Gruppe von Krebsspezialisten sucht den Erreger in einer Gruppe von Humanen T-Zell-Leukämie-/Lymphom-Viren. Sie favorisieren dabei den Typ 1 und nennen ihren potentiellen Erreger HTLV I.[8]


    Entdeckung des Virus.

    Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier entdecken im Institut Pasteur in Paris das HI-Virus Typ 1. Auch der US-Forscher Roberto Gallo von den National Institutes of Health (NIH) beansprucht die Entdeckung für sich.[6]


    Beim „Cold Spring Harbour Meeting“ präsentiert Montagnier am 15. September 1983 ausführliches wissenschaftliches Material über das von ihm entdeckte Virus.[8]


    Luc Montagnier und Francoise Barre-Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris nennen das Virus zunächst LAV (Lymphadenopathie-assoziiertes Virus). Im Mai veröffentlicht Montagnier das erste Bild des Erregers. 2008 erhält das Forschungsduo für seine Entdeckung den Medizin-Nobelpreis.[4]

    Das Virus erhält später die Bezeichnung HIV (Human Immunodeficiency Virus, humanes Immundefizienz-Virus).[2]

  • Organisationen

    Erste AIDS-Hilfen in Deutschland:

    Ab September werden in Berlin und München erste AIDS-Hilfen in der BRD gegründet.[8]


    In Berlin wird am 23. September 1983 die „Deutsche A.I.D.S.-Hilfe e.V.“ (DAH) gegründet.[8]


    Daniel Defert gründet AIDES, die zur wichtigsten französischen AIDS-Hilfe-Organisation wird.[8]


    Die AIDS-Hilfe Schweiz wird gegründet.[8]

  • Zahlen

    In den USA werden 3.064 Fälle[8] 1025[5] von AIDS gemeldet.[8] und und 394[8][5] Aids-Tote


    HIV Neu-Infiz. D: 43 [46]

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