1992

Die Chronik.  30 Jahre   aktHivplus

1992 - Der kolorierte Tod, PCR-Test

  • „Posithiv-Team“

    Die Gruppe aus 10 Personen die die Treffen organisiert nennt sich „Posithiv-Team“.[24]


    Oliver Trautwein gründet in Karlsruhe das IPE, das „Institut zur Erforschung und Erprobung von ambulanten Pflegeprojekten für Menschen mit HIV und Aids in Europa e.V.[24]


    Hohenzollerische Zeitung v. 27.4.1992

    „30 Jahre möchte ich schon werden“

    Oliver Trautwein sprach in Gauselfingen über sein Leben als „HIV-Positiver“

    Burladingen-Gauselfingen.

    Oliver Trautwein ist 25 Jahre alt, seit fünf Jahren weiß er, daß er HIV-positiv ist. Trotzdem hat er sich nicht aufgegeben, sondern — ganz im Gegenteil — versucht, sich mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen und die ihm verbleibenden Jahre so sinnvoll als möglich zu nutzen. Für sich selbst und andere. So hat er heute als AIDS-Streetworker beim Staatlichen Gesundheitsamt in Karlsruhe in erster Linie die Aufgabe, Aufklärungsarbeit zu leisten. Diese Tätigkeit hat ihm geholfen, sein eigenes Schicksal anzunehmen und gibt ihm bis heute die Möglichkeit, ebenfalls Infizierten hilfreich zur Seite zu stehen. Über sich, seine Familie, Freunde und seine in den vergangenen Jahren gemachten Erfahrungen - gute wie schlechte - sprach der junge Mann am Freitag abend im WIR-Projekt in Gauselfingen (Tagungshaus und Wohnprojekt).

    Den 10. Juni 1987 wird Oliver Trautwein nie vergessen. An diesem Tag nämlich erfuhr er, daß er HIV-positiv ist. Zwei frühere AIDS-Tests waren negativ ausgefallen, dem dritten unterzog sich der zu seiner Homosexualität stehende junge Mann nur, weil er einen Freund beim - auch für ihn - schicksalsschweren Gang zum Karlsruher Gesundheitsamt nicht allein lassen wollte. Dieser Freund ist vor einem halben Jahr gestorben. Oliver Trautwein, der in den vergangenen zweieinhalb Jahren schon über 20 gute Bekannte durch AIDS verloren hat, geht es dagegen noch gut. Er hat keinerlei gesundheitliche Beschwerden, weiß aber trotzdem: „40 Jahre werde ich nicht alt, aber 30 möchte ich schon werden“. Nicht nur seiner selbst, sondern auch der vielen noch zu bewältigenden Aufgaben wegen. Die gehen größtenteils in Richtung Öffentlichkeitsarbeit. In seiner Eigenschaft als AIDS-Berater beim Karlsruher Gesundheitsamt nämlich leistet er umfassende Aufklärung - am Schreibtisch, über die Printmedien und auch im Fernsehen.

    Oliver Trautwein geht in dieser Arbeit auf, weiß, wie wichtig sein Beistand für andere Infizierte ist und hat über seine Tätigkeit gelernt, nicht mit dem Schicksal zu hadern. Das war nicht immer so. Zwar hat er sein positives Testergebnis zunächst „ganz cool“ zur Kenntnis ren hatte, daß er mit dem  AIDS genommen, wenige Tage später aber kamen die „Ängste und Gefühle“. Die Konsequenz: Oliver Trautwein, damals gerade 20 Jahre alt, versuchte sich umzubringen. Erst in letzter Minute nahm er Abstand von seinem Vorhaben und entschied, die ihm bleibenden Monate oder Jahre „bewußter und intensiver“ zu leben. Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, vertraute er sich zunächst seiner Mutter und darauf der Schwester an. Bis er seinem Vater erzählte, daß er HIV-positiv ist, dauerte es länger und erst nach dem Besuch eines Sterbe-Seminars der AIDS-Hilfe fand er überhaupt den Mut dazu. Seine Angst, den Vater aufzuklären, war nicht unbegründet, denn mehr noch als die Tatsache, daß sein Sohn zum Sterben verurteilt ist, schreckte ihn dessen Bekenntnis, homosexuell zu sein. Seine Reaktion: Er verbot seinem Sohn das Haus. Wenig später aber besann er sich und steht heute, wie auch der Rest der Familie, zu ihm. Gleiches gilt für die Freunde von Oliver Trautwein. Überhaupt hat der 25jährige nicht allzuviele negative Erfahrungen nach Bekanntwerden seiner Krankheit machen müssen. Daß dem so ist, hat er ein Stück weit sich selbst zu verdanken, indem er nämlich an die Öffentlichkeit ging und nicht verheimlichte, ein „Positiver“ zu sein. Nachdem Oliver Trautwein erfahren hatte, daß er mit dem AIDS-Virus infiziert ist, hat er sein Leben in völlig neue Bahnen gelenkt, lebt er auch für andere. Trotzdem: „Ich bin dem Virus nicht dankbar, denn um So zu werden wie ich heute bin, hätte ich lediglich mehr Zeit gebraucht“. Die nutzt der frühere Polizist (er schied aus dem Beamtenverhältnis aus, bevor er von seiner Krankheit erfuhr) seit fünf Jahren sehr intensiv. So hat er nicht nur ein Jahr bei der AIDS-Hilfe gearbeitet, sondern außerdem die Fachhochschulreife in Abendkursen nachgeholt und sich sogar mit dem Gedanken getragen, zu studieren. Das Angebot des Staatlichen Gesundheitsamtes, dort als AIDS-Berater zu arbeiten, hielt ihn schließlich von diesem Vorhaben ab. Ein Glück für die vielen Infizierten, die in dem 25jährigen einen Ansprechpartner finden, der ihnen in ihrer Verzweiflung wirklich helfen kann, und-auch für diejenigen, die trotz der groß angelegten — inzwischen aber leider schon wieder fast vergessenen - Aufklärungskampagnen noch immer nicht um die Gefahren von Aids Bescheid wissen. Daß Oliver Trautwein noch lange in der Lage ist, seine Aufgaben im Gesundheitsamt zu erfüllen, ist in erster Linie natürlich ihm selbst, aber auch seinen Leidensgefährten zu wünschen.

Das Foto des US-amerikanischen Aidskranken David Kirby stammt ursprünglich von der Fotografin Therese Frare (siehe "1990") - Oliviero Toscani erwarb für Benetton nur die Rechte. Die im Februar 1992 veröffentlichte Benetton-Kampagne mit dem kolorierten Foto sorgte weltweit für Entsetzen, die Öffentlichkeit warf dem Strickwarenkonzern vor, das Leid der Kirbys kommerziell auszunutzen. Die Familie des Aidskranken indes vertrat eine ganz andere Ansicht: "Wir haben uns der Macht und der Popularität Benettons bedient, damit die Öffentlichkeit aller Länder diese fürchterliche und unbekannte Krankheit, der niemand ins Gesicht zu schauen wagt, endlich zur Kenntnis nimmt und darüber spricht", sagte der Vater Kirbys damals. [77][2]

  • Schlagzeilen

    Internationale AIDS Konferenz.

    Die urprünglich für Boston geplante Internationale AIDS-Konferenz findet vom 19. bis 24. Juli in Amsterdam statt. Der Grund: die US-Regierung hält an ihrer seit 1987 bestehenden Regelung fest, HIV-Positiven die Einreise in die USA zu verwehren.[4]

  • Medikamente *

    HIVID®, Wirkstoff Zalcitabin(NRTI), Zulassung USA.[55]


    Videx®, Wirkstoff Didanosin(NRTI), als Kautablette, 2000 als magensaftresistent überzogenen Hartkapseln (enteric coated – EC) in D zugelassen.[56]

Share by: