»Wir lassen niemand ungeschoren« SPIEGEL -Artikel über den Aids- Politiker Peter Gauweiler.[146]
Die Chronik. 30 Jahre aktHivplus
Oliver Trautwein erhält am 10. Juni 1987 im Alter von 20 Jahren die Diagnose HIV-positiv.
Oliver Trautwein kommt zur Positivengruppe der AIDS-Initiative Karlsruhe.[24] und übernimmt dort später eine ABM-Stelle. [48]
Audio (4 min): 19.5.1987: In Bayern wird ein AIDS-Test für Homosexuelle angeordnet [126]
Maßnahmenkatalog von P.Gauweiler:
Am 25. Februar 1987 beschließt die bayerische Staatsregierung einen „Maßnahmenkatalog zur Abwehr von AIDS“. Verfechter des Katalogs ist Innenstaatssekretär Peter Gauweiler (CSU), u.a. mit der Möglichkeit der Vorladung ‚Ansteckungsverdächtiger‘ zum HIV-Test einschl. polizeilicher Vorführung sowie Tätigkeitsverboten für männliche und weibliche Prostituierte.[10]
Auf Anweisung des bayrischen Innenministeriums werden ab Juni 1987 Beamtenanwärter im Rahmen ihrer Einstellungsuntersuchung auch pflichtgemäß auf HIV getestet (Anwendung bis November 1995).[10]
Die bayerischen Maßnahmen machen auch vor dem Eingriff in Würde und körperliche Integrität des Menschen nicht halt: Eine HIV-positive, drogengebrauchende Frau wird im Alter von 25 Jahren zur Zustimmung zu einer Sterilisation genötigt.[156]
Am 24. Oktober findet in München eine bundesweite Großdemonstration gegen den bayrischen Maßnahmenkatalog (‚Anti-Gauweiler-Demo‘) statt. Die Polizisten tragen Schutzkleidung und Handschuhe.[10]
1987 forderten Professoren der Essener Universitätsklinik, die Grundrechte der Bürger zum Schutz der Allgemeinheit einzuschränken. Aids polarisierte auch die Bevölkerung. Laut Umfragen sprachen sich 51 Prozent der Bürger für eine namentliche Meldepflicht HIV-positiver Menschen aus.[37]
Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth kämpft für eine AIDS-Aufklärung anstatt Zwangsmaßnahmen.Es gelingt die Wende. Die Mehrheit der Bevölkerung spricht sich jetzt für Aufklärung, Selbstschutz und verstärkte Eigenverantwortlichkeit aus – und gegen Zwangstests.
Rita Süssmuth, heute Ehrenvorsitzende der Deutschen Aids-Stiftung, setzte sich von Anfang an für eine sachliche Debatte über HIV ein. Mit dem Leitspruch „Wir bekämpfen die Krankheit, nicht die Infizierten“ trat sie in den Achtzigerjahren den Vorurteilen gegenüber den Betroffenen entgegen. Ihr sei damals „viel Hysterie und Angst begegnet – besonders im Kabinett“, erinnerte sich Süssmuth.[118]
Audio (3 min.): Interview am 23.11.1988 mit Rita Süssmuth über ihren Kampf in der Aids-Politik [125]
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) startet die Kampagne “Gib AIDS keine Chance” und eine Telefonberatung für Betroffene.[2]
Die Plakat- und Fernsehwerbung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sollen Kondome allmählich zum Alltagsgegenstand machen.[4]
In einem Informationsblatt der Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU), das 1987 an deutsche Haushalte verteilt wurde, hieß es, nur 5 bis 20 Prozent der HIV-Infizierten bekämen Aids. Später musste die Ministerin das als Fehler korrigieren.[104]
Reagan erwähnte Aids erstmals am 31. Mai auf der dritten Internationalen Aids-Konferenz in Washington [5]
Ihre Hauptgegner findet Süssmuth in der CSU, deren Politiker eine Meldepflicht für HIV-Infizierte fordern oder einen HIV-Test für Beamte ins Spiel bringen. Die Differenzen treten auch am 12. Mai 1987 offen zu Tage, als Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann CSU den Zollbehörden schreibt, sie sollen Aids-Infizierte an der Grenze abweisen. Der Erlass sorgt für Verwirrung und erhebliche Irritationen.[72]
„Kondom“ wird zum Wort des Jahres. Unter Führung der Gesundheitsministerin Rita Süssmuth entwickelte die Regierung ein Kampagne, das in drei Richtungen zielte: Schutz der Bevölkerung vor HIV-Infektion, Beratung und Versorgung der Infizierten sowie Verhinderung von Diskriminierung.
Mit ihrem klugen Anliegen, die Betroffenen nicht auszugrenzen, und der Propagierung des Slogans „Aids geht alle an“, konnte sich die CDU-Ministerin Süssmuth gegen ihren konservativen bayerischen Gegenspieler Peter Gauweiler von der CSU durchsetzen, der sich für eine strenge Anwendung des Bundesseuchengesetzes starkmachte.
Plakate und Broschüren, Fernsehspots und Kinoreklame klärten auf. Eine Politik, die Erfolg hatte: Die Befürchtung, dass es zu einer Epidemie apokalyptischen Ausmaßes kommen würde, erwies sich als unbegründet, homosexuelle Männer änderten ihr Sexualverhalten - und die anfangs erschreckend hohe Zahl der Neuinfektionen begann zu sinken.[128]
Die USA erlassen ein Einreiseverbot für HIV-positive Menschen. Das Gesetz behält seine Gültigkeit bis 2010.[4]
Das Virus muss nur noch fliegen lernen
Der SPIEGEL-Artikel vom 15.11.1987 von Hans Halter beginnt so:
„Und ich sah ein fahles Pferd; und der darauf saß, des Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach.“ Offenbarung des Johannes 6, Vers 8
Der Artikel schreibt über Gaetan Dugas, den „Patient Null“, als denjenigen, der vielen Menschen den Tod gebracht hat. „Dem mobilen Junggesellen blieb fast ein Jahrzehnt, um den Todeskeim weiterzugeben....Nummer Null hatte, Jahr für Jahr, rund 250 Intimpartner. Von den ersten 248 US-amerikanischen Homosexuellen, die Aids zum Opfer fielen, haben sich nachweislich 40 bei Dugas oder einem seiner Sexualpartner angesteckt....zu einer Epidemie hat sich Aids erst entwickeln können, als Leute wie Gaetan Dugas die Szene betraten.“
Dugas soll seinen Ärzten gesagt haben „Ich werde Sex niemals aufgeben, denn irgend jemand hat schließlich auch mich angesteckt.“
Auszüge aus dem Spiegel-Artikel von Hans Halter:
„Robert Gallo, der als einer der ersten das Virus sichtete, urteilt: „In einigen Ländern droht der Genozid, die Ausrottung ganzer Nationen. Der oberste amerikanische Gesundheitsbeamte, Surgeon General Everett Koop, hat errechnet, dass Aids viel mehr Opfer fordern wird als die Pest im Mittelalter. … Aids, so heißt es, ist auf dem besten Wege, die größte Gesundheitskatastrophe in der bekannten Geschichte der Menschheit auszulösen; die Seuche wird mehr Opfer fordern als alle Kriege, Naturkatastrophen und Hungersnöte dieses Jahrhunderts zusammengenommen; sie wird kein Land verschonen, wird die Bevölkerungsexplosion beenden und auf allen Kontinenten demographische, ökonomische und kulturelle Umwälzungen bewirken, für die es in der Geschichte kein Beispiel gibt....
… Das »Human Immunodeficiency Virus« ist der schlimmste Feind der Menschheit - sehr viel gefährlicher, heimtückischer und ausdauernder, als es sich die Ärzte bisher vorgestellt haben. … Wer mit Aids angesteckt wird, der wird auch krank. Und wer an Aids erkrankt, der muss daran sterben … Werden die Länder Zentralafrikas im Jahr 2000 ein riesiges Totenhaus sein? … Wenn in den nächsten Jahren kein wissenschaftlicher Durchbruch erzielt wird....werden zur Jahrtausendwende weite Teile von Afrika, und möglicherweise auch von Mittel und Südamerika, weitgehend entvölkert sein. ...
… Jahrelang hat die Staatsgewalt die Aids-Bekämpfung an einen privaten Verein, die »Deutsche Aids-Hilfe e.V.« delegiert, die »Interessenvertretung der Homosexuellen« ("FAZ"), also der Hauptrisikogruppe.
… Kein einziger deutscher Amtsarzt hat von den gesetzlichen Möglichkeiten zur Seuchenbekämpfung frühzeitig oder umfassend Gebrauch gemacht.
… Aids scheint immer noch ganz weit weg. Detlef der positive Strichjunge, interessiert nicht. Er steht am Bahnhof, ... er nimmt Geld für den ungeschützten Analverkehr … er ist Hetero und bringt pro Jahr ein Dutzend Homos um, vorsichtig gerechnet. Niemand hindert ihn daran ...
… Die Hälfte der deutschen Fixer ist mittlerweile Aids-positiv. Der unkontrollierten »Beschaffungsprostitution« widmen sich allein in West-Berlin notgedrungen mindestens 1600 Frauen. ....
… Weil jedoch niemand die schönen, erst im vorletzten Jahrzehnt errungenen sexuellen Freiheiten unterdrücken will, weil überdies kein anständiger Mensch den Homos, Fixern und Prostituierten das Leben schwermachen möchte - sie haben es ja auch wirklich schwer genug -, sind die notwendigen seuchenhygienischen Maßnahmen »höchst unpopulär«. …
… Und Frau Süssmuths Kondome? Die Ministerin behauptet kess, »Kondome sind sicher«, sie seien »die einzige Lebensversicherung gegen Aids«. O heilige Einfalt! .... Der dünne Gummi gilt seinen Fürsprechern ganz im Ernst als verlässlicher, stabiler Schutz. In Wirklichkeit, das weiß nicht nur die »Medical Tribune«, »schützen Kondome miserabel«. ...
… HIV ist für alle bösen Überraschungen gut. Sogar für das Ende der Menschheit. Schon stimmen sich die ersten religiösen Apokalyptiker darauf ein. »Mit einem tödlichen Virus reinigt sich die geschundene Erde von den Menschen«, ist im ,Neuen Zeitalter« zu lesen. »Man muss nicht von einer Strafe Gottes sprechen«, mahnt Kurienkardinal Joseph Ratzinger. »Es ist die Natur, die sich wehrt.« ...
… Zur Jahrtausendwende wird jedwede Untergangsstimmung Konjunktur haben, diese ganz besonders. Sie hat im Aids-Virus ihr Substrat. HIV muss nur noch fliegen lernen.
… Noch wird das Todesvirus vor allem durch Blut und Körperflüssigkeiten übertragen. So muss es nicht bleiben. HIV dreht ein großes Rad. In Millionen Menschen wird es tagtäglich billiardenfach reproduziert. Dabei wandelt sich permanent seine Gestalt und, will es das Unglück, auch seine Eigenschaften. Retroviren fliegen schon durch die Luft. Noch töten sie nur die Pferde. ...
… Wenn der Aids-Erreger wie ein Schnupfen- oder Grippevirus ohne Hautkontakt von Mensch zu Mensch gelangen könnte, wäre es mit uns allen über kurz oder lang vorbei. Nur auf ganz fernen Inseln oder in den Weiten Sibiriens könnten ein paar einsame Menschen überleben. Die Steinzeit käme zurück. Worst case? … Mutter Erde wird sich freuen.
… Und ich sah ein fahles Pferd; und der darauf saß, des Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Offenbarung des Johannes 6, Vers 8.“
Auszüge Ende
Kommentare zum Spiegel-Artikel[124]:
Gaetan Dugas ist erwiesenermaßen nicht „Patient Null“, siehe dazu aktHivplus/die-chronik/1984.
„Aids-Patient Nummer Null“ war er nie; er war in dem Netz sexueller Kontakte, das Wissenschaftler ermittelten, bloß „Patient O“ — der Buchstabe O, nicht die Zahl 0.
Aber Dugas war - nicht nur im „Spiegel“ - der Inbegriff des Teufels: Des todbringenden, auf Sex fixierten, hemmungslosen, skrupellosen Schwulen. Es wird u.a. falsch behauptet: „Er (Dugas) starb, 32 Jahre alt, am 30. März 1984 an Bord eines Flugzeugs auf dem Weg zur amerikanischen Westküste. Neben ihm saß sein allerletzter Liebhaber, ein junger Dressman aus Vancouver.“ Richtig ist: Dugas starb (31 Jahre alt) im Kreis seiner Familie in Quebec
Die Zahlen, die Halter als Fakten ausgab, waren übertrieben. Er nennt für das Jahr, in dem der Artikel entstand, 100.000 Aids-Infizierte in Deutschland. Im Jahr 2011, also 24 Jahre, danach, schätzte das Robert-Koch-Institut, dass insgesamt in Deutschland 100.000 Menschen mit HIV infiziert wurden.
Die Berichterstattung des „Spiegel“ über Aids in den achtziger und neunziger Jahren war durchaus vielstimmig und bestand nicht nur aus Hysterie und Panikmache. Halters „apokalyptischen“ Texte jedoch waren wenig aufklärend, malten Untergangsszenarien.
Warum durfte Halter seine Artikel so formulieren? Es war die Zeit in der es Politiker wie Peter Gauweiler gab. Es konnte der Eindruck entstehen, dass ihnen diese Krankheit Munition gab, um gegen die „homosexuelle Subkultur“ vorgehen zu können. „Keine Bars und Badestuben mehr, keine Klappen, Backrooms und Sauna-Liegewiesen“, das war nicht nur bloß die Wirkung der Krankheit, sondern auch ein politisches Programm.
Halter malte dem Leser des „Spiegel“ ganz konkret das von Schwulen verursachte bevorstehende Ende der Menschheit aus. Die Aids-Berichterstattung jener Jahre gehört zu den besonders dunklen Flecken in der Geschichte des „Spiegel“. Die Deutsche Aids-Hilfe meint dazu: „Die „unsägliche Berichterstattung des ‚Spiegel‘ zu Zeiten des Höhepunktes der Aids-Krise“ habe den Grundstein für die Stigmatisierung der Menschen mit HIV gelegt. „Betroffene haben bis heute unter den Folgen dieser Skandalisierung zu leiden.
Für Rita Süßmuth hatte Hans Halter in seinem Artikel nur Häme und Verachtung übrig: „Die Ministerin behauptet kess, Kondome sind sicher, sie seien die einzige Lebensversicherung gegen Aids. O heilige Einfalt!“
Rita Süßmuth stellte im Gegensatz zu Gauweiler die an Aids erkrankten Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns und startete eine Aufklärungskampagne. Die Werbung für das Verwenden von Kondomen zeitigte Ergebnisse im Rückgang der Fallzahlen.[124]
Die Stigmatisierung Infizierter : Eine Infektion wird als „Zeichen des moralischen Verfalls“ gesehen. Nicht nur Aids, auch Homosexualität an sich wird als Krankheit gesehen.
CSU-Politiker Horst Seehofer forderte, dass Betroffene in bestimmten Heimen konzentriert werden sollen. Sein Parteikollege Hans Zehetmair sagte 1987 über HIV-Infizierte sogar: „Diese Randgruppe muss ausgedünnt werden, weil sie naturwidrig ist.“
Audio: 19.5.1987: In Bayern wird ein AIDS-Test für Homosexuelle angeordnet (Dauer 4min).
Der damalige Kurienkardinal Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., sagte: "Man muss nicht von einer Strafe Gottes sprechen. Es ist die Natur, die sich wehrt."[104]
Prinzessin Diana eröffnet erste auf HIV und AIDS spezialisierte Krankenhausabteilung.
Sie pflegt engen körperlichen Kontakt zu den Infizierten und zeigt dadurch, dass diese Begegnungen unbedenklich sind.[2]
Vermutlich war Robert R. das erste Aids-Opfer.
Ein Artikel der FAZ vom 30.10.87 berichtet von 1986 durchgeführten Untersuchungen an tiefgefrorenen Gewebeproben eines 1969 verstorbenen 14-jährigen Jugendlichen mit Kaposi-Syndrom, Chlamydien-Infektion und Lympdrüsenschwellungen. Er verstarb 1969 nach erfolgloser 15-monatiger Behandlung an Bronchopneumonie. Das Ergebnis der Untersuchungen zeigte, dass er mit HIV an den Folgen von AIDS verstarb.[129]
Am 29. April wird in den USA der erste Western-Blot-Test zugelassen, ein genaueres Testverfahren als die bisherigen Elisa-Tests.[10]
Das erste HIV-Medikament:
In den USA wird Retrovir (AZT) zur HIV-Behandlung zugelassen.
Im Auftrag der FDA (Food and Drug Administration, USA) entschied ein Gremium aus elf führenden AIDS-Ärzten über die blitzschnelle Zulassung von AZT zur Behandlung von AIDS.
AZT war bereits ein Vierteljahrhundert zuvor als Chemotherapie gegen Krebs entwickelt worden -als Compound S bekannt- wurde jedoch aufgegeben, weil es tödlich toxisch -es bewirkte Zellabbau im Knochenmark - sehr teuer in der Herstellung und völlig wirkungslos gegen Krebs war. Das Medikament war zwar wirksam, aber unspezifisch und zerstörte die Krebszellen nicht selektiv.
In einer Studie des National Cancer Institute gelang es „nachzuweisen“, dass AZT das HI-Virus bekämpfen könne. Wegen der bekannten Nebenwirkungen aus der vorherigen Behandlung von Krebs herrschte im Ärzte-Gremium große Unsicherheit und Unbehagen in Bezug auf AZT zur Behandlung von AIDS. Die Ärzte wussten, dass die Studie fehlerhaft war -die Studie war weder „doppelblind“ noch „placebokontrolliert“ und die Langzeitwirkungen völlig unbekannt.
An der Studie teilnehmenden Patienten hatten ihre Kapseln analysiert, um herauszufinden, ob sie das Medikament erhielten. Falls nicht, kauften manche das Medikament auf dem Schwarzmarkt. Außerdem konnten die Pillen zu Beginn geschmacklich unterschieden werden. Es gab Berichte, dass Patienten aus Solidarität untereinander Pillen zusammenlegten. Die Studie war so schwerwiegend fehlerhaft, dass ihre Schlussfolgerungen nach den grundlegendsten wissenschaftlichen Standards als unbewiesen hätten gelten müssen.
Die Studie wurde zudem vorzeitig abgebrochen, weil es unethisch galt, Menschen weiterhin ein Placebo zu verabreichen, wenn das Medikament sie möglicherweise länger am Leben halten könne.
Der Trumpf der -nicht wissenschaftlich ausgeführten- Studie, der das Problem der enormen Toxizität des Medikaments ausräumte, war, dass 19 Personen in der Placebo-Gruppe und nur eine in der AZT-Gruppe gestorben waren. Die AZT-Empfänger wiesen auch eine geringere Inzidenz opportunistischer Infektionen auf.
Der Hersteller „Burroughs Wellcome“ versicherte dem Gremium, dass das Medikament als Überbrückungsmaßnahme für sehr kranke Patienten vorgesehen war. Die FDA übte offensichtlich Druck aus, als das Gremium das Medikament ablehnen wollte.
Zudem gab es großen Druck in der Öffentlichkeit und ein Klima voller Wut und Angst endlich ein Medikament gegen AIDS zu haben.
Die von der Firma vorgelegten Daten bewiesen anscheinend, dass AZT das Leben verlängere, selbst wenn es giftig ist, aber der Nutzen würde die Risiken deutlich überwiegen.
AZT -klinisch Zidovudin, Markenname Retrovir- wurde genehmigt.
Die Mehrheit der AIDS-Kranken und der medizinischen Gemeinschaft hielten das Medikament für den ersten Durchbruch im Kampf gegen AIDS. Der Preis war jedoch, dass sich von da an fast alle staatlichen Medikamententests auf AZT konzentrierten – während andere Medikamente unerforscht blieben.
Die Aktien des Herstellers Burroughs Wellcome gingen durch die Decke.
Das Gremium wollte das Medikament aufgrund seiner extremen Toxizität eigentlich nur im Notfall bei schwerkranken AIDS-Patienten eingesetzt sehen. AZT wurde gleich nach seiner Markteinführung jedoch in großem Umfang verschrieben.
1987 gaben Ärzte in einem Interview der New York Times zu, dass sie bereits auch HIV-Positiven, aber noch ohne Aids-Symptomen, Menschen AZT verabreichten.
Das Medikament war zu August 1989 bereits in 60 Ländern und bei schätzungsweise 20.000 Menschen angewendet worden.
Das Medikament hat im Nachhinein betrachtet, genau den Prozess beschleunigt, den es eigentlich verhindern sollte: Den Verlust von T-4-Zellen. AZT stoppt die DNA-Replikation. Es tötet jede Zelle, die an der DNA-Replikation beteiligt ist, was hauptsächlich im Knochenmark stattfindet.
Das neue Medikament wurde als Mono-Therapie eingesetzt. Meist kam es schnell zu Resistenzen.
Die toxischen Wirkungen von AZT waren so schwerwiegend, dass bis zu 50 Prozent aller AIDS-Patienten es nicht vertrugen und es absetzten. Weitere Nebenwirkungen waren Anämie, der Verlust der roten Blutkörperchen. Ohne rote Blutkörperchen kann man nicht leben.
Ein Patient berichtete: „Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt … Ich setzte das AZT ab und die geistige Verwirrung, die Kopfschmerzen, die Nackenschmerzen, die Übelkeit – all das verschwand innerhalb von 24 Stunden.“
Viele hatten den Eindruck, man stürbe nicht an Aids sondern an AZT.[82]
Viele, mussten sich übergeben, hatten Schüttelfrost und gleichzeitig hohes Fieber, große Müdigkeit und Kraftlosigkeit.[140]
"Es war einem ständig übel, man hatte immer so einen Eisengeschmack im Mund"[150]
Viele wollten diese Pillen deshalb nicht mehr einnehmen.
Eine sichtbare Nebenwirkung war die Lipodystrophie, ein Fettverlust oder eine Fettansammlung, oder beides, die z.B. im Gesicht, am sogenannten „Stiernacken“, im Bauchbereich, eine Veränderung des Erscheinungsbildes des Körpers hervorrufen.[140]
Jerome Horwitz, der Erfinder der chemischen Verbindungen in AZT sagte: „Ja, AZT ist eine Form der Chemotherapie“. „Es ist zytotoxisch und verursacht daher Knochenmarksvergiftung und Anämie. Das Medikament hat seine Probleme. Es ist nicht perfekt. Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand zustimmen würde, dass AZT nutzlos ist. Die Leute können von jetzt an bis zum Jüngsten Tag schreien, dass es giftig ist, aber man muss mit den Ergebnissen leben.“
Verwirrenderweise ist AZT zu Beginn der Medikation einige Monate lang wirksam da, die Zahl der T-4-Zellen stieg eine Zeit lang an, stürzten dann aber nach etwa 12 bis 24 Wochen ab.
Im Mai 1988 musste konstatiert werden, dass einige Überlebensstatistiken nach Einnahme von AZT einen Durchschnitt von 44 Wochen hatten.
Zu Beginn der Behandlung wurde 1.500 Milligramm AZT verabreichet. Später nur noch ein Drittel dieser Dosis. 1994 mit Veröffentlichung der 'Concorde-Studie' war belegt, dass bis Ende der 80er Jahre AZT mit bis zu 2 g pro Tag viel zu hoch dosiert war, mit zum Teil tödlichen Folgen für die Patient:innen.[140]
Im Dezember 1988 veröffentlichte 'The Lancet' -eine der ältesten und renommiertesten medizinischen globalen Fachzeitschriften- eine umfangreiche Studie in Frankreich, die zu dem Schluss kam, dass AZT für die meisten Menschen zu toxisch war, um es zu vertragen, keinen dauerhaften Effekt auf den HIV-Blutspiegel hatte und bei den Patienten weniger T-4-Zellen zurückblieben als zu Beginn. Obwohl sie zunächst eine klinische Verbesserung feststellten, fielen dies Werte nach sechs Monaten wieder auf das Niveau vor der Behandlung zurück und es kam zu mehreren opportunistischen Infektionen, bösartigen Erkrankungen und Todesfällen. Der Nutzen von AZT für AIDS-Patienten sei auf wenige Monate beschränkt und AZT sei danach völlig wirkungslos.[147]
Das Medikament musste akribisch genau rund um die Uhr exakt alle vier Stunden genommen werden.[137] Es gab Pillenwecker die alle vier Stunden piepsten – auch nachts.
AZT/Retrovir galt seinerzeit als das teuerste verschreibungspflichtige Medikament, etwa 10.000 US-Dollar, pro Patient und Jahr. In den USA wurden die Kosten dafür von den Versicherungen meist nicht übernommen, die Behandlung war daher für viele kaum zu finanzieren.
In Deutschland wurde AZT als zugelassenes Medikament von der Krankenversicherung bezahlt, stellte also für den einzelnen Patienten kein Problem dar.
Retrovir®/ Zidovudin, Wirkstoff Azidothymidin(NRTI), zugelassen in der EU 1987.[20][2][102]
3. Internationaler AIDS-Kongress in Washington.[10]
Gründung von ACT UP von Larry Kramer („Wutrede“).[12]
Die-Ins, Straßen-Aktionen, Boykott, eine Dombesetzung . In ihren Aktionen manifestierte sich auch die Wut auf Ausgrenzung und Diskriminierung, auf Untätigkeit und Ignoranz.[14]
Einige der Errungenschaften von ACTUP in Deutschland wirken bis heute fort, so insbesondere die Positiven-Beteiligung an Aids-Kongressen, die 1990 noch ein Skandal war und heute Normalität ist.[12]
Gründung der ‚Nationalen AIDS-Stiftung‘ auf Anregung von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth[10]
Die Deutsche AIDS-Stiftung »Positiv leben« wird vom Hamburger Pastor Rainer Ehlers sowie vom Verband der Privaten Krankenversicherung e. V., dem Deutschen Roten Kreuz und der Daimler AG, damals Daimler-Benz AG, gegründet.
Die „Stiftung Positiv leben“ und die " Nationale AIDS-Stiftung" schließen sich 1996 zur heutigen "Deutsche AIDS-Stiftung" zusammen.[143]
4. Internationaler AIDS-Kongress in Stockholm.[10]
In USA 36.058 Fälle diagnostiziert , 20.849 an Aids gestorben, 113 Länder betroffen, mehr als 50.000 Fällen weltweit. [5]
Andere Quellen:
47.743 Aids-Erkrankte leben mittlerweile in den USA, 27.909 sind gestorben.[137]
Weltweit zwischen 100.000 und 150.000 Fälle von HIV.[144]
HIV Neu-Infiz. D: 939 [46]
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